Deutsche Zusammenfassungen
Städtebauwelttag in AmsterdamAmersfoort 1961 s. 6 Vor der Gründung des Städtebauwelttags durch Carlos Maria della Paolera, dessen erster Todestag am 8. November gefeiert wird, hatten die Landesplaner wenig Kontakt miteinander. Aber seit 1949 (Datum seiner Einsetzung durch alle Nationen) erkannte man, dass Carlos Maria della Paolera die Situation total verändert hatte.
Ausgehend von der Erkenntnis, dass sich alles in der Natur erneuert, die Empfindungen wie die Elemente, gründete er eine internationale Institution, die als oberstes Ziel eine Beschleunigung der Entwicklung in urbanistischer Hinsicht hat.
Im Jahre 1961 findet die offizielle Feier des Städtebauwelttags in Holland statt, genauer gesagt in Amsterdam und Amersfoort. Sie wird vom Architekten und Urbanisten Ai Olivier,von Nimwegen, organisiert Die Rapporte und telegraphischen Mitteilungen sind zu richten an die Regierung von Amsterdam (Rathaus).
Der erste Teil der Versammlung wickelt sich in Amsterdam ab. Er besteht aus der Generalversammlung, bei welcher Gelegenheit das brennend aktuelle Thema: « Das Problem des Strassenverkehrs und der öffentlichen Transportmittel und Ih Einfluss auf die Landesplanung» besprochen wird. Nach den Debatten werden die aus aller Welt zusammengeströmten Delegierten vom Bürgermeister von Amsterdam empfangen. Anschliessend begibt sich die Versammlung mit einem Spezialzug nach Amersfoort, wo eine hohe Persönlichkeit die dort Installierte Ausstellung eröffnen wird.
Alberto Sartoris
Die Neumodellierung der Städte S. 12 Heute fasst der Architekt die Baukunst nicht mehr als ein einzelnes, für sich bestehendes Werk auf. Vielmehr hält er sie für einen Grundbestandteil der Stadt, der Landschaft, ja sogar des Landes, welchem sie ein bestimmtes Gesicht zu modeln kontribuiert.
Schon sind die Niederlande in dieser Beziehung sehr weit gekommen. Deshalb auch besitzt das Land nicht weniger als drei unterschiedene Baumelstervereine (Erbauer, Landschaftsgärtner, Städtebauer). Eine derartige Entwicklung macht sich In anderen Staaten Westeuropas bemerkbar.
Die Neumodellierung bedeutet ein schweres Problem des demographischen Drukkes, der Lebensfähigkeitskriterien und vor allem des Strassenverkehrs. Andernteiis braucht der Mensch Freiheit und Ruhe in einem natürlichen Rahmen. Mit der stürmischen Entwicklung der Industrie macht die moderne Stadt diese Möglichkeit mehr und mehr problematisch. Deshalb empfehlen heute die Spezialisten dringend die Lösung der grünen Städte und Fabrikanlagen, sowie die der organischen Landschaftsgestaltung. Man strebt nach einem neuen biologischen Gleichgewicht, worin die Lebenskunst gemeinverständlich wäre...
In Bezug auf die Verbindungsmittel liegt viel daran, die Trennung zwischen Schnell- und Normalverkehr klar zu bestimmen. In dem Masse wie der Verkehr langsamer wird, nähert er das Gebiet des Fussgängers an. Dem Urbanlsten steht es, zu, die Treffpunkte der biologischen, organischen und der technischen, unorganischen Welt festzustellen.
C. van Eesteren
Der Stil Nervi
s. 14
Unter den vielen bemerkenswerten Animatoren der zeitgenössischen Architektur bleibt Pier Luigi Nervi nicht mehr der grosse Einsame. Der Einfluss, den er auf die ganze Welt ausübt ist so tiefgreifend, dass er heutzutage unzählige Nacheiferer und Verehrer zählt. Für die Kühnheit ist er, verhältnismässig, der gültigste lebende Antagonist eines Alessandro Antonelli, des grössten Architekten des 19. Jahrhunderts. Anderseits ist er, wie Felix Candela, dem er den Weg gezeigt hat, Architekt, Ingenieur und Konstrukteur In einem. Er misst den statischen Momenten eine grosse Wichtigkeit bei, wie zum Beispiel auch Eduardo Torroja. Die theoretische Berechnung erfasst er oft in vereinfachten Hypothesen zusammen, in der Annahme, dass dieselben die Realisation nachher berichtigen werden.
Er ist Erfinder vielfacher Formen, Schöpfer grosser architektonischer Einheiten wie Mehrzweckbauten, Gebäude für Industrie, Sport, Handel, Schiffahrt, Luftfahrt, Eisenbahnen und Militär. Er erbaute ferner Kirchen und Museen. Nervi hat auch grosse Verdienste innerhalb der Bauindustrie durch erstmalige Anwendung von neuen Baustoffen und durch Rationallsierungsmethoden geleistet.
Alles was bei Nervi die Entwicklung der Architektur gefährdet, wird ausgeschaltet.
Die Vielseitigkeit der Themen, die Nervi behandelte, erzwingen durch die strenge Einheit unsere Bewunderung.
Von diesem Stil der Wahrheit haben wir schon ein vorzügliches Beispiel, das Hauptgebäude der Internationalen Arbeitsausstellung in Turin, wo Eisenbeton, Stahl, Marmor und Kristall als funktionelle Einheit wirken.
Alberto Sartoris
Zu einem Stil der Wahrheit?
s.45
Ich frage mich oft, ob wir alle, die wir mit der Architektur zu tun haben und die gebildeten Menschen, die sich für sie interessieren und die grosse Masse des Publikums, die die Verwirklichungen benützt, sich darüber klar sind, wie gross die Umwälzung im Bauwesen In weniger als hundert Jahren gewesen ist.
Es gibt mehrere Protagonisten in dieser Revolution. Zu ihnen gehören der allgemeine technische und soziale Fortschritt
und neuartige Baumaterialien, aber ohne die Entdeckung — gegen Mitte des letzten Jahrhunderts — der Bauwissenschaft wäre keiner dieser Faktoren oder ihr ganzer Komplex ausreichend gewesen, um die Form, den Grundriss und die Ausmasse in der Architektur so grundlegend zu verändern.
Früher stützte sich die Statik der Bauwerke auf die gefühismässlge Eingebung und auf durch Erfahrung erworbenes Wissen. Es ist offensichtlich, dass auf Grund einer so schwachen Grundlage die statischen Pläne trotz der Anstrengungen, dem Mut und der hervorragenden Intelligenz grosser Architekten und Baumeister nur sehr langsam entwickelt wurden. Wenn ein Bauplan festgelegt war, wurde er praktisch jahrhundertelang unverändert benützt, bis durch eine geniale Eingebung etwas Besseres gefunden wurde, welches die gleiche langsame Entwicklung durchmachen musste.
Die grosse, enorme Neuerung, die durch die Bauwissenschaft geboten wird, besteht darin, dass durch eine geeignete Prüfung der Erfordernisse im Innern eines Gebäudes für jedes Bauthema der beste statische Plan gefunden werden kann und damit neue, praktisch unerschöpfliche architektonische Formen.
Nach meiner Meinung gibt es jedoch noch eine zweite, weniger ins Auge fallende Konsequenz, die eine ganz bestimmte Bedeutung hat.
Die statischen Pläne, die die auftretenden konstruktiven Probleme, die sich durch die immer grösser werdenden Ausmasse der repräsentativeren Gebäude ergeben, am besten lösen, sind diejenigen, die sich genau an die physischen Gesetze halten, Welche das Gleichgewicht zwischen den aktiven und passiven Aktionen Im Innern einer Struktur regeln.
Wenn dann die Ausmasse eine bestimmte Grenze überschreiten (bei vielen Konstruktionstypen sind wir schon nahe daran), wird die grösste Beachtung dieser Gesetze eine selbstverständliche Bedingung.
Der Mauerbogen mit begrenzten Ausmassen hat im Wechsel der Zeit und des Ortes in verschiedenen Formen entworfen und gebaut werden können : Rundbogen, Spitzbogen, überhöhter Bogen, gelappter Bogen usw., ganz nach dem verschiedenen ästhetischen Geschmack oder dem jeweiligen Stil, aber der grosse Bogen von heute und von morgen wird entweder die Form annehmen, die der höchsten statischen Leistungsfähigkeit entspricht, oder es wird ihn gar nicht geben. Und das Gleiche behauptet man auch von anderen Baugefügen.
Die neue und grundlegende Tatsache ist, dass die Form des sehr grossen Bogens oder der Bauplan, mit dem ein imposantes Bauthema gelöst werden kann, nicht mehr erfunden, sondern nur noch entdeckt werden kann; die Erfinder sind die Gesetze, die das Gleichgewicht zwischen der wirkenden Kraft und dem möglichen Widerstand der Materie regeln.
Aus diesem Grunde werden die relativen Bauwerke mit der Zeit und überall objektiv verwirklicht und bleiben unverändert (ausser einiger mehr oder weniger wichtiger Einzelheiten).
Diese Entwicklung der wahren Formen ist übrigens schon bedeutend auf jenen Gebieten fortgeschritten, die mit einer gross223
Deutsche Zusammenfassungen
artigen Dynamik arbeiten, wie schnelle Transportmittel und hauptsächlich Flugzeuge.
Die Formen der ersten unzureichenden Flugzeuge, die der Fantasie und der schöpferischen Eingebung ihrer Erfinder entsprungen sind, waren sehr zahlreich und untereinander verschieden; heute haben die Formen der grossen Linienflugzeuge ganz bestimmte Eigenschaften — die immer das generelle Schema für ihr Funktionieren bleiben werden — (dynamischer Flug, Überschallflug, Luftreaktion auf glatten Oberflächen) und können nur verfeinert werden, wenn sie sich an die Form der grössten Leistungsfähigkeit halten, die von dem erreichten vollkommenen Übereinstimmen des Menschenwerks mit den Naturgesetzen bestimmt wird.
Wenn nun gerade im Bauwesen die Entwicklung langsamer und einzig und allein auf sehr grosse Bauten beschränkt wird, so kann man wohl Voraussagen, dass die allgemeine Grundlage der Befolgung der Naturgesetze — die die Reinheit der Formen des grossen Flugzeugs mit denen der grossen Struktur vereinigen — eine Atmosphäre des Geschmacks oder in anderen Worten einen Stil schaffen könnte, und zwar in der gleichen Weise, wie sie den Kontakt zwischen unbekannten Völkern hergestellt hat. Entweder die Rückkehr zur Vergangenheit oder nicht genau definierbare gelegentliche Ursachen haben in der Vergangenheit die ästhetische Atmosphäre der verschiedenen Epochen geändert und bestimmt. Dieser Stil in Anlehnung an die Naturgesetze wird Allgemeineigentum der ganzen Menschheit sein und wird sich ohne einen gewollten oder katastrophalen Verzicht auf eine immer vollkommenere Beherrschung der Natur — beständiges und uraltes Ziel der Menschheit — nicht mehr ändern können.
Man soll nun nicht denken, dass all dies zu einer unerträglichen Eintönigkeit führt, und dass es weder beim Einzelnen noch bei den Völkern Individualität gibt.
Wie streng die Forderungen einer Schule oder der Naturgesetze auch sein mögen, es bleibt immer ein Minimum an Freiheit in der Definition von Einzelheiten, von Proportionen oder schliesslich von chromatischen Verzierungen, das mehr als ausreichend ist, um eine Verwirklichung von der andern zu unterscheiden.
Falls diese Beobachtungen richtig sind, so erleben wir die aussergewöhnlichste Erscheinung, die es je in der Entwicklung der menschlichen Kultur gab: die Entstehung eines für die ganze Menschheit gültigen Stiles, der von mit Naturgesetzen verankerten Fundamenten bestimmt wird und der deswegen keine Verwicklung verträgt sondern sich nur noch in einer fortschreitenden Annäherung an die unveränderliche Wahrheit entwickeln kann.
Pier Luigi Nervi
Die Ausstellungen « Italien 61 » in Turin Allgemeines Landesplanungsprinzip S. 46
auszuarbeiten für die Internationale Arbeitsaustellung und die Ausstellung der Regionen. Anderseits war es unumgänglich, eine flexible Lösung zu finden, damit sie dauernd gebrauchsfähig blieb. Die gewählte, trapezförmige Zone lag ganz im Süden des Gemeindeterritoriums der Stadt und wurde in der Länge unterteilt durch einen grossen Zugangsweg (Corso Unità d'Italia), den es zu respektieren galt. Im Zentrum entstand das grosse Ausstellungsgebäude, erstellt von der Turiner Ausstellungsgesellschaft, ohne jede Kontrolle unsererseits. Schlussendlich wurde die ganze Zone (ca. 500 000 m2) in drei Partien unterteilt. Die im Südwesten gelegene Zone wurde ausgewählt für das Hauptgebäude der Internationalen Arbeitsausstellung. Das zwischen diesen beiden Gebäuden liegende Terrain wurde zuerst für die ausländischen Pavillons reserviert, die indessen nicht erstellt wurden. Da wurden nun das « Circorama » und das Arbeitsverwaltungsgebäude erstellt. Nachher galt es eine Anzahl allgemeine Bauten zu errichten, die zwischen den Nord- und Westeingängen zu liegen kamen. Als verantwortliche Architekten zeichneten Nicolà, Rizzotti, Romano. Von den Herren Varaldo und Zuccotti wurde dann ein sehr ansprechendes Wasserspiel errichtet. Vergessen wir nicht die kleinen Seen in den Grünflächen, die einen erfreulich harmonischen Kontrast zu den bunten Pavillons bildeten.
4000, zum Teil grosse Bäume, verzierten die Anlagen.
Ausstellung der Regionen
H.-F. Berchet
Architekt Nello Renacco Für die obgenannte Ausstellung war die dritte grosse Zone, deren Grundriss irregulär war und ca 150 000 m2 umfasste, vorgesehen. Ihr Zustand war bis Frühling 1960 vernachlässigt und die Vegetation bestand prinzipiell nur aus niederen Sträuchern und hohen Pappeln. Hier wurde das Hauptgebäude, das erste Jahrhundert der Einheit Italiens darstellend, erbaut. Im übrigen musste eine gewisse einheitliche Konzeption mit den anderen Hauptgebäuden erstrebt werden.
Folgende zwei Lösungen waren möglich: a) Eher den klassischen Baustil erstreben, der durch grosse Volumen wirkt, den Besucher überwältigend und vielleicht sogar Angst einflössend, eben gerade weil der Stil zu breit und zu schwer ist.
b) Eine Betonung eher zurückhaltender, architektonischer Elemente. Es wurde die zweite Lösung angenommen und wir glauben dadurch die Harmonie gerettet zu haben.
Die Ausstellung umfasst noch mehrere Gruppen von Pavillons, die sämtliche einfache geometrische Grundrisse aufweisen.
Wir glauben auch, hiermit den Besuchern eine umfassende Schau differenzierter, spezifischer Regionen Italiens vermittelt zu haben.
N. R.
Architekt Nello Renacco
Die Autostrassen
Infolge der kurzen, zur Verfügung stehenden Erstellungszeit galt es einerseits sofort den Ort zu fixieren und die Projekte
Eines der verhängnisvollsten Versäumnisse unseres 20. und des Endes des vergangenen Jahrhunderts ist, dass man
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sich nicht der Wichtigkeit und Dringlichkeit eines speziell auf die neuen Ansprüche des Automobils abgestimmten Strassennetzes angenommen hat.
Warum ein solches Verhalten der Mehrzahl der Länder, vor allem der ältesten und traditionellsten? Mehrere Gründe mögen dafür verantwortlich sein, von denen der hauptsächlichste wohl das Automobil selbst ist. Hervorgegangen aus den damaligen Pferdekarren und Hippomobil musste sich das Automobil mit den von Postkutschen ausgefahrenen Wegen zufriedengeben. Scheinbar war die Differenz einfach ; motorischer Antrieb an Stelle des tierischen. Das änderte sich jedoch grundlegend in weniger als einer Menschengeneration.
Fast überall in der Welt werden deshalb grosse Anstrengungen unternommen, die Verspätung aufzuholen, d.h. dem Automobil die Zirkulationswege zu geben, die ihm zustehen.
Reibungsloser Verkehr, erhöhte Sicherheit, Zeit- und Geldersparnis zeichnen moderne Autostrassen aus, um nur wenige Vorteile zu nennen, ln Europa haben Deutschland und vor allem Italien als klassische Autobahnländer einen beachtlichen Vorsprung durch Konstruktionen, die sich harmonisch in die Natur einfügen. Es erhebt sich die Frage, ob die Autostrassen mit ihren eindrücklichen Brücken und langen Tunnels in späteren Jahrhunderten nicht als Zeichen unserer Zivilisation gelten, gleich den Kathedralen des Mittelalters.
s. 50
Die moderne französische Architektur und die Renaissance s. 56 Am Anfang des 16. Jahrhunderts erlebte Frankreich eine grosse Umwälzung in der Architektur, als Folge der eingewanderten Architekten, Bildhauer und Arbeiter.
Diese reine, direkt von der Antike beinflusste Tendenz wurde sehr sauber und exakt von Vignole und Serlio interpretiert, die alsbald geneigte Anhänger hatten wie Jean Martin, Androuet du Cerceau und Philibert de l’Orme.
Infolge der einheimischen Baugewohneit bildete sich rasch eine Synthese, die zu originellen Schöpfungen führte.
Ich erwähne drei Beispiele, die sehr eindrücklich die Rückkehr zur Antike veranschaulichen.
Ancy-Ie-Franc Ein klares Beispiel für eine italo-französische Synthese. Das von Serlio selbst für Antoine de Clermönt erbaute Schloss war 1546 beendet. Sein Grundriss war rechteckig und von einem Graben umgeben.
Der Aufbau des Gartens erinnert vortrefflich an die « Giardini della Pigna » im Vatikan.
Maulne-en-Tonnerrois Das Schloss von Maulne, in der Nähe von Ancy-Ie-Franc, wurde 1566 von Jehan Verdot für den Graf von Uzès erbaut.
Der Grundriss erinnert an Capararola (Architekt Peruzzl) und da auch die Gräfin von Uzès die Schwester von Antoine de Clermont war, so denkt man gleich an Serlio.
Vallery Das Schloss von Vallery, in Seine-etMarne, wurde im Gegensatz zur verbreiteten Meinung vollendet. Heute steht jedoch nur noch ein grosser Pavillon und ein Flügel, beide aus Backstein erbaut.
1548 wurde Vallery für Jacques d’Albon, Marschall von Saint-André erbaut und war eines der ersten Beispiele für diesen Baustil aus Stein und Backstein, der dann mehr als ein halbes Jahrhundert grosse Mode wird.
Diese drei Beispiele waren zu ihrer Zeit beispielhaft für eine wirklich moderne Bauweise, und zeigen auf, wie die Persönlichkeit eines Architekten durchdringt, unabhängigvon inspirierenden Motiven und Modellen.
George? Pillement
Oie heiligen Städte im Urwald von Yucatan s. 58 Unter den Völkern, die grosse architektonische Werke hinterlassen haben, sind die Mayas eines der bedeutendsten. Tausende ihrer Bauten entstanden zwischen den Jahren 320 und 1160 unserer Zeit im Urwald in Yucatan und wurden vor Ankunft der Europäer wieder verlassen. Sie erlitten keinerlei Zerstörungen, weder durch Krieg noch Eroberungen. Einzig die tropische Vegetation sprengte Mauern und Treppen und die Archeologen brauchen nur die einzelnen Teile dieses riesigen Puzzle’s wieder zusammenzufügen.
Unter den wichtigsten Monumenten unterscheidet man zwei Arten von Gebäuden : die Tempel und die Pyramiden. Letztere mit ihren steilen Treppen erreichen 35 bis 40 Meter Höhe. Der Gipfel diente als Kultusstätte.
Die Tempel — sehr oft «Palast» oder «Kloster» genannt — fallen besonders durch ihre horizontalen Linien auf. Meist aus Terrassen errichtet, dominieren sie in diesem vollkommen flachen Land durch ihre ungeheure Grösse. Die Fassaden sind unterbrochen durch eckige Türöffnungen und gekrönt von geometrischen Friesen. Erwähnenswert ist noch das Fehlen jeglicher kurviger Linien — mit Ausnahme des « Caracol » von ChichenItza, einziges Rundgebäude der Mayas in Yucatan, das vermutlich als Observatorium und Tempel der Winde gedient hatte.
Vom technischen Standpunkt aus gesehen, haben die Mayas, die weder das Rad noch Arbeitstiere kannten, eine gewaltige Leistung vollbracht: schon die Errichtung der Esplanaden, auf denen sich ihre Konstruktionen erheben, ist eine grandiose Ausführung. Allein diejenige des «Gouverneur-Palastes» stellt die Ansammlung von einer halben Million Tonne Material dar !
Die architektonischen Mittel der Mayas waren jedoch denkbar einfach. Wölbung
und Kuppel waren ihnen unbekannt. Sie verwendeten nur das Kragsgewölbe (die in horizontalen aufgeschichteten Steinblöcke zweier Mauern, werden so aufeinandergelegt, dass die oberen Blöcke jeweils über den darunterliegenden vorspringen, bis sich die beiden Mauern treffen) was somit das Fehlen grösserer Innenräume erklärt. Die Tempel wurden aus Steinblöcken und Mörtel gebaut und mit In Kalkstein gehauenen Ornamenten verkleidet. Diese Baukunst ist ganz auf äussere Effekte ausgerichtet und die wunderbar proportionierten Fassaden stechen unter der tropischen Sonne hell aus ihrer Umgebung hervor. Als interessantes Detail wurde die Säule als Bauelement festgestellt; allerdings ziemlich selten und zwar eine Art, die an die einfachen frühdorischen Säulen erinnert.
Die ganze Anlage der Bauten, die alle mehr oder weniger in die gleiche Richtung gestellt sind, ist gigantisch — ein sehr frei aufgefasster Urbanismus. In Uxmal sind nicht weniger als 15 Gruppen von Gebäuden auf einem Umkreis von 70 Hektaren errichtet. Nur diese, religiösen Zwecken dienende Architektur, wurde aus Stein gebaut, die Mayas selbst wohnten in mit Strohdächern] bedeckten Erdhütten, wie wir sie heute noch in den Dörfern in Yucatan überall antreffen.
Henri Stierlin
sten Vorkämpfer Le Corbusier später nicht hindert in Ronchamp und teilweise in Chandigarh auf von Picassos Gipsplastiken oder Gaudis phantastischen Traumarchitekturen hergeleitete^Gebilde zurückzukommen.
Wie werden nun die neuen Ausdrucksmittel bei der Gestaltung der Innenräume verwendet? Führten sie zu einer einheitlich-deutlichen Formensprache der Künste, jener vielgenannten Synthese oder Integration, welche die Kunstbeflissenen herbeiwünschen? Es scheint nun im Gegenteil, dass die Vielfalt der Baustoffe, die Vermengung derVölker,die Durchdringung der Geschmacksrichtungen dank einer allzureichlichen Publizistik eher zur vorläufigen Diskrepanz der Formen geführt hat.
Gab es schon eine Integration der Künste zu Zeiten der Renaissance, der französischen Königsstile und früher in der Gotik, im griechischen Altertum, in Assyrien und Persien, so bedarf es heutzutage nach wie vor der Erfindungsgabe und der Konzentration auf das Wesentliche, um dem Modisch-Vergänglichen auszuweichen und zu einem gültigen Ausdruck unsrer Zeit zu gelangen.
H. R. Von der Mühll
Mondrian und der Architekturbegriff S. 83 Innenarchitektur Einheit oder Spaltung der Künste ?
S. 70
Im Wandel der historischen Formgebungen entwickelte sich die Innenarchitektur stets parallel zur Aussenarchitektur. Wäre dem anders gewesen, so hätte die Behandlung des Innenraumes anderen Gesetzen folgen müssen wie die Gestaltung des Äusseren.
Doch gerade in der Einheitlichkeit der inneren und der äusseren Haltung liegt das Wesen dessen, was man unter Stil einer Epoche zu bezeichnen pflegt, dem eigentlichen Gesamtausdruck menschlichen Empfindens.
Der stete Wechsel dieses Ausdruckes ist den Änderungen der Auffassungen unterworfen. Eine der grundlegendsten und sichtbarsten Umwälzungen fand zu Beginn des Jahrhunderts statt, als die historischen Stile als überholt aufgegeben wurden und es nach den nunmehr geradezu als interessant zu wertenden Verschlingungen des Jugendstils zu einer Besinnung auf das Wesentliche formaler Gestaltung kam.
Neue Forderungen wurden formuliert, die eigentlichen Gesetzestafeln der modernen Gestaltung wurden aufgestellt.
Die Bewegung ging am klarsten von Holland aus («de Stijl »), führte über das von van de Velde in Weimar gegründete, später in Dessau von Gropius und Hannes Meyer weitergeführte Bauhaus und fand im von Ozenfant und Dermée in Paris gegründeten « Esprit nouveau » ihren kräftigsten Impuls.
Reine, geometrische Formen, elementare Farben, der rechte Winkel als Zeichen rationneller Gesinnung, das waren die Postulate, denen sich zu Beginn die Neuerer verschrieben, was deren genialArchitektur, Treffpunkt der Künste, Knochengerüst mit seinem unerlässlichen, sinnvollen Zeichen: das Kreuz, also die Architektur selbst des Menschen, das heisst eine Vertikale, welche eine Horizontale durchschneidet.
Unerlässliches Zeichen, da Stilisierung nie Architektur bedeutet. Alle Kinder stilisieren. Die Architektur bleibt aber eine Vorstellung der Verstandesreife. Und wo sind sie, die echten Architekten ?
Gestern, wieviel Modelleure; heute wieviel Bautechniker I Doch bedeutet die Technik an sich selbst nicht das Schlimmste. Im Gegenteil : Suche nach Wirkung wurde immer der gute Geist der Architekten. Die hat das kreuzförmige Zeichen den Meistern vernehmbar gemacht. Zwei Mauern, eine Decke oder in der Wirklichkeit zwei Dämme, eine Brücke sind der Kern dieser Tatsache.
Dies drückt sich in der ägyptischen, sowie in der griechischen Architektur, auch noch in den japanischen Häusern aus. Die italienische Renaissance sehnt sich nach dieser Würde.
Das hat Mondrian als erster erfasst. Bis 1908 blieb der Künstler ein Maler der holländischen Landschaft. Die ersten Stilisierungen mit kantigen Linien erscheinen in Figurgemälden und in einer grossen Dünenlandschaftsmalerei (1908-1911, Walcheren). Die Beeinflussung von Toorop zeigt sich deutlich in dem Triptyk « Evolution » und in einer « Komposition mit Figuren » (1909), welche einen Exorzismus oder eine Predigtszene darstellt. Zum ersten Mal erscheinen, — geometrisch und ganz fremd im Vorwurf,— freie Formen, die allmählich das ganze Tuch füllen werden.
So entstand, durch logische Entwicklung, der horizontale-vertikale Rythmus.
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Deutsche Zusammenfassungen
ln den Schriften des Philosophen und Theosophen Schoenmakers fand Mondrian eine hohe und begeisternde Berechtigung, Leidenschaftlich verkündigt er dann seine Ideen über den neuen Glauben: « NeoPlastizismus », welcher mit dem Leben selbst einerlei sein sollte. So dachte Mondrian und zwar hatte er recht. Das ganze Leben lässt sich freilich mit einer Architekturvergleichen, dessen Einrichtung, wie die Einrichtung selbst der Welt, immer im Bau bleibt.
Michel Seuphor
Olle Baertling
S. 89
Die Logik allein umgrenzt den Gedanken von Baertling. Zwar bildet seine Malerei ein auffallendes Vorbild eines ästhetischen, dispositiven Rechtes. Sie ergänzt auch die Lücken eines zur Baukunst gehörigen Kontraktes, insofern dieser die Funktionen des Baues total respektiert. Diese Grundzätze prägen die verschiedenen Stadien des Suchens des Künstlers. Die Erfindungen verwandeln sich, je nach dem seine Absichten sich deutlicher ausdrücken. Immer bewegen sie sich in einer eigenartigen Sphäre, worin die werdende Dichtheit nie Sattheit ist.
In seinen scharfen, blitzdonner'nden Gemälden, sowie in seinen mobilen, geradlinigen, aufsteigenden, luftigen und schwebenden Skulpturen sieht das Unermessliche nirgends vom Monumentalen ab.
Den Zweifel kennt Baertling nicht. Immer bleibt er zielbewusst. An die Pracht des unendlichen Raumes will er reichen. Gelb, rot, schwarz, grün, weiss, selten blau zersetzen seine Flachebenen wie Klingen eine schlummernde, gleichgültige, gelassene Welt. Alle seine Farben haben ihre Eigenheit. Ihre Gleichgewichtsfähigkeit neutralisiert fest Ausdrücke der Heftigkeit, welche jedoch nie hart oder brutal wirken. Fortsetzer von Giacomo Balla und von Auguste Herbin lässt Olle Baertling die Theorien seiner Vorgänger fern hinter sich. Er schafft eine plastische Welt, deren überraschende Grösse und Wesenheit dem Bestärken des Wiederaufblühens der Baukunst mithelfen und uns zum ersten Mal die zaubernde Summe eines endlich geoffenbarten Futurismus gibt.
Alberto Sartoris
Hans Jörg Gisiger
5.92
Die Skulpturen Gisigers sind harmonische Maschinen. Seine Kunst ist herb, fast straff. Es ist eine Plastik, die das ALL erfüllt. Überall finden wir die gleichen Elemente; wir verfolgen ihren abrupten Flug. Vom ersten Kontakt an sind wir positiv beeinflusst von dieser Stahlmechanik, von dieser engen Falle, die reine Formen umschliesst.
in den Werken Gisigers wirkt das Licht schwer, jedes Volumen wirkt breit, voll und vollendet. Eine Kunst, die den Zufall verabscheut, bietet sich uns dar.
Gisiger hat das tiefe Bedürfnis zu schöpfen mit den Künstlern dieses Jahrhunderts, wie Architekten, Maler, Poeten.
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Seine Skulpturen entspringen einer breiten Kultur; er beherrscht Französisch wie Deutsch und betätigt sich auch schriftstellerisch. Die Phantasie dieses Künstlers ist nicht übertont, sie ist vielmehr einer strikten, intellektuellen Disziplin unterworfen.
Gisigers Werke bestehen aus Eisen und können aus keinem anderen Metall realisiert werden.
Aber besteht nicht die Gefahr, dass bei einer solchen metallischen Architektur das Gefühl für Volumen verloren geht? Man denkt schnell an eine Welt aus Stahldraht...
Im Prinzip ist die Plastik von Gisiger nie ethisch. Sie überwältigt, detoniert, hart und monumental. Sie hat weltliche Autorität. Sie strebt weder nach den polierten Flächen eines Brancusi, noch den leprösen Materien nach. Ihre Haut ist gesund.
Grauschwarz, nicht matt und nicht glänzend, die Anerkennung des Eisens ohne Zusätzliches.
So hat Gisiger mit solchen Voraussetzungen eine anspruchsvolle und sehr persönliche Kunst aufgezeigt.
Henri Stierlin
Landesplanung
S. 203
Überall erscheint die Landes- und Regionalplanung dringend notwendig. In der Schweiz liegt diese Notwendigkeit wegen der Begrenzung der nutzbaren Fläche unseres Bodens besonders zutage. Darum ist das öffentliche Interesse an Regelung und Rationalisierung der Bodenbenutzung nicht in Frage zu stellen. Daraus entstehen aber oft enge Begrenzungen der Rechte des Grundeigentümers, die grundsätzlich von der Verfassung garantiert werden.
Inwieweit sind diese Einengungen jedoch verfassungsmässig? Um diese Schwierigkeit zu überwinden, hat man die Sozialisierung des Grund und Bodens — besonders des städtischen Bodens — vorgeschlagen.
In einer ziemlich neuen Entscheidung hat aber das Bundesgericht diese Lösung als verfassungswidrig abgelehnt. Ein anderer Vorschlag, die Entschädigungssummen durch Grundstücksmehrwertabgaben auszugleichen, stellt schwierige praktische Probleme: das Beispiel des englischen Gesetzes, das nach dem Krieg von der Attlee-Regierung erlassen wurde, und die Ergebnisse dieser Gesetzgebung können nur zur Vorsicht mahnen.
Heutzutage scheinen alle radikal neuen Mittel, die vorgeschlagen wurden, entweder verfassungswidrig oder unzweckmässig oder beides zusammen. Unserer Ansicht nach, gibt es angesichts unseres herrschenden Verfassungsrechts wenig Aussicht auf eine rationelle Raumordnung ausserhalb eines besseren Verständnisses und einer engeren Zusammenarbeit zwischen Planungsbehörden und Grundeigentümern. Zur Förderung dieses Verständnisses sind Steuerermässigungen und Informationskampagnlen gewiss am besten geeignet. Jedenfalls sind diese Mittel bestimmt fruchtbarer als unverwirklichbare Massenexpropriationsentwürfe.
J. M. Roulin - ASPAN